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21.03.2005
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Es war an einem schönen, warmen Frühlingsmorgen, als diese Geschichte passierte. Genau gesagt, am Tag vor dem Osterfest. Da kippte Jule den Becher um, und der Kakao floß über den Frühstückstisch. Das war eine Bescherung! Der Kakao floß wie ein Fluß, und dann tropfte er auf den Heiner. Heiner war Jules Hase, ihr Kuscheltier, Jules Freund, der jede Nacht neben ihr auf dem Kopfkissen schlief. Jetzt hatte Jule ihn auf dem Schoß, und sein weiches, sein seidiges, hellbraunes Fell hatte häßliche Flecken bekommen. Am Tag vor Ostern ist das für den Hasen ein Unglück gewesen. Jule weinte für ihn: "Armer Heiner" und "Ach, wie schrecklich!" und "Wie siehst du bloß aus!" und "Morgen wollten wir feiern!" Jules Mutter sagte "Hör auf, das ist doch nicht schlimm. Wir werden den Hasen waschen." Sie faßte ihn an den Ohren und ging mit ihm in den Waschkeller hinunter. Jule lief hinterher. Die Mutter machte die Waschmaschinen-Bullaugentür auf und warf den Hasen hinein. Einfach so. Rein mit ihm. Und damit die Wäsche sich lohnte, stopfte sie allerlei hinterher. Vier weiße Strümpfe, ein hellblaues Staubtuch, einen Kissenbezug und eine Mütze. Alles zusammen rein, und dann klappte die Bullaugentür zu. Waschpulver dazu, auf den Knopf gedrückt und los ging die Fahrt bei dreißig Grad. Jule hockte sich vor das Fenster und sah Heiners Angsthasengesicht. sie winkte ihm so, wie man winkt, wann einer verreist, und sie rief auch: "Machs gut!" Nein, gut ging es dem Heiner jetzt wirklich nicht. Er wurde gewirbelt, gedreht, und ihm wurde ganz schwindlig davon. Es sollte aufhören! Er wollte raus! Die weißen Strümpfe kannten den Dreh. Sie fürchteten sich nicht mehr und versuchten, den Hasen zu trösten: "Dir passiert nichts, gleich ist es vorbei. Halt aus." Sie umarmten ihn und hielten ihn fest. Die Mütze sagte zu Heiner:" Wir sind doch bei dir" Endlich, endlich, stand die Maschine still. Jules Mutter klappte die Tür auf holte die Stümpfe, die Mütze, das Staubtuch und den Kissenbezug aus der Waschhölle, und Jule zog ihren Hasen heraus. Nun mußte er mit auf die Leine. Sie war draußen quer über den Rasen gespannt. Jule reichte der Mutter zwei rote Klammern, und die hängte den Hasen an seinen Ohren auf, genau in der Mitte zwischen den Strümpfen. Jule stand unter der Leine und winkte:"Hallo Heiner, geht es dir gut?" Nein, gut ging es dem Heiner noch immer nicht. Zwar besser als in der Maschine, als in dem Wirbelsturmkarussell, aber gut ging es ihm nicht. Die roten Klammern ziepten an seinen Ohren und überhaupt - er fand es so peinlich, auf dieser Wäscheleine hängen zu müssen. Die Strümpfe fanden das nicht. Sie wiegten und schaukelten sich. Sie stießen den Heiner an: "Mach doch mit !Es macht Spaß!" Das hellblaue Staubtuch winkte ihm von links außen: "Häng nicht so rum! Beweg dich, mein Lieber. Um so schneller bist du dann trocken!" Nein, nein, das wollte der Plüschhase nicht. Er war schließlich kein hellblauer Lappen. Bis Jule zu tanzen anfing. Sie tanzte unter ihm auf dem Rasen, sprang von dem linken Bein auf das rechte und dreht sich im Kreis. Dazu sang sie: "Ich freue mich, weil morgen Ostern ist, ich freue mich, weil morgen Ostern ist!" Sie sang es so fröhlich, daß Heiner davon angesteckt wurde. Er fing an, an der Leine zu tanzen, vor und Zurück, vor und zurück. Und ganz leise, damit es die Strümpfe nicht hörten, sang er mit Jule mit: "Ich freue mich, weil morgen Ostern ist." Bald fühlte sich der Hase besser. Die Sonne schien warm, er konnte ganz weit über den Gartenzaun schauen und was am wichtigsten war, jetzt war er trocken. Jule rief ihre Mutter: "Ich möchte meine Hasen Heiner wiederhaben.! Die Mutter antwortete ihr: "Gleich nehm` ich ihn ab, ich muß nur noch den Osterkuchen anrühren!" Als der Kuchen im Ofen war, rief Jule: "Ich möchte meinen Hasen Heiner wiederhaben!" die Mutter antwortete ihr:"Gleich hol ich ihn von der Leine. Ich muß nur noch die Backschüsseln abspülen! Als die Backschüsseln sauber im Schrank standen, rief Jule:" Ich möchte meinen Hasen Heiner wiederhaben!" Die Mutter antwortete ihr:" Gleich geb` ich ihn dir. Will nur einen Moment mein Beine hochlegen!" Als die Mutter sich ausgeruht hatte, rief Jule wieder. Aber die Mutter hatte immer noch keine Zeit. Sie hatte so viel zu tun, weil morgen das Osterfest war und inzwischen war es schon spät am Nachmittag. Da passierte es plötzlich. Es kam wie aus heiterem Himmel. Erst kam der Blitz und dann kam der Donner. Und dann regnete es. Ach, es regnete nicht, es goß von dem Himmel herunter, vom dem eben noch der Sonnenschein strahlte. Es goß und es goß. Heiner, der Hase, die Strümpfe, das Tuch und der Kissenbezug und die Mütze wurden platschnaß. Sie tropften nur so von der Leine. Jule, die sich untergestellt hatte, rief in den Regen:"Ich will meinen Hasen Heiner wiederhaben!" Die Mutter kam aus dem Haus und sagte zu ihr: "Jetzt geht es nicht, Jule, jetzt ist er zu naß." Am Abend als Jule ins Bett gehen mußte, war der Hase noch immer zu naß und Jule mußte ohne ihn schlafen. Heiner, die Stümpfe, die Mütze, das Tuch und der Kissenbezug blieben auch während der Nacht auf der Leine. Der Wind wiegte sie alle. Hin und her und her und hin. Aber schlafen konnten sie nicht. Da erzählten sie Frühlingsgeschichten, von Tulpen und Primeln, von Amseln und Schwalben und Veilchenduft. Sie erzählten die ganze Nacht, und als der Morgen kam, als es hell wurde und die Amsel zu singen begann, war es Ostern. Bald kam Jule nach draußen gelaufen. Sie rannte über den Rasen und rief :"Ich will meinen Hasen Heiner wiederhaben!" Und dann wäre sie fast gestolpert. Auf dem Rasen, direkt unter der Leine und ganz genau unter dem Hasen haben fünf Ostereier gelegen. Da hat die Jule gestaunt und hat gesagt: "Mein lieber Heiner du bist vielleicht einer!"
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